Nachhaltigkeitskommunikation ist ein zentrales Thema heutiger Unternehmenskommunikation. Prof. Dr. Angela Bittner-Fesseler gibt einen Einblick in aktuelle Entwicklungen.
Aktuell steigen noch einmal die Anforderungen an die Nachhaltigkeitskommunikation – in diesem Falle an das Reporting. Mitte 2023 kommen neue Regelungen, die Unternehmen umsetzen müssen. Im Juni 2023 wird die Verabschiedung des neuen europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung „Corporate Sustainability Reporting Directive“ erwartet, die für Share- und andere Stakeholder den Zugang zu mehr Information bringen soll. Also neue regulatorische Anforderungen, die es zu erfüllen gilt, Dienst nach Vorschrift - Vorschrift erfüllt und alles ist bestens?
Walk and Talk
Wer dies glaubt, hat das Wesen der CSR- und Nachhaltigkeitskommunikation nicht ganz durchdrungen. Im Zentrum der Nachhaltigkeitskommunikation steht immer das eigene nachhaltige Handeln (walk) und die eigene Haltung zur Frage der Nachhaltigkeit. Darauf baut die Kommunikation (talk) auf. Eine wichtige Regel hierbei: Unternehmen sollten keine nachhaltigen Maßnahmen realisieren, um ein positives Image zu gewinnen. Denn dies wird nicht selten als zynisch angesehen und mit Kritik in den journalistischen und sozialen Medien abgestraft.
Glaubwürdigkeit und Transparenz
Von der Nachhaltigkeitskommunikation wird erwartet, dass sie glaubwürdig und transparent ist, vor allem wesentliche Entwicklungen wahrhaftig und überprüfbar aufbereitet. Wie sich immer wieder zeigt, schauen die Rezipient:innen sehr genau hin: Übertreiben die Unternehmen in ihrer Kommunikation, laufen sie Gefahr, der Scheinheiligkeit oder Vertuschung (greenwashing) bezichtigt zu werden. „Walk“ und „Talk“ müssen also zusammenpassen bzw. konsistent sein.
Erfolgreiche Unternehmen berichten, dass sie eine sachliche Darstellung ihrer CSR-Aktivitäten bevorzugen, einen substanziellen und informativen Stil mit vielen Fakten und Zahlen. In manchen Fällen grenzt dies fast an einen wissenschaftlichen Diskurs aus Zahlen, Fakten, Statistiken und Kurven. Werbung mit übertriebenen Aussagen hingegen ist nicht für Vertrauensbildung geeignet, was erneut eine EU-weite Überprüfung 2021 der angeblich so nachhaltigen Produkte zeigte.
Glaubwürdig jedoch ist, wenn Dritte wie Journalist:innen, Politiker:innen oder die eigenen Mitarbeitenden die Informationen über CSR-Aktivitäten bestätigen. Bekannt ist jedoch auch, dass die eigene Ankündigung, grün handeln zu wollen, ein Unternehmen verändert (genannt talk-to-walk bzw. aspirational talk).
Das Dilemma der Nachhaltigkeitskommunikation
Studien aus den vergangenen vier bis fünf Jahren zeigen auch: Ist der Talk, also die Kommunikation über das nachhaltige Handeln, zwar nicht übertrieben, jedoch zu laut und aufdringlich, glauben die Menschen ihr ebenso wenig wie der Übertreibung. Passt eine aktive Kommunikation zudem nicht zur Branche, ernten Unternehmen auch hier Skepsis und Vorbehalte. Dies gilt als Dilemma der Nachhaltigkeitskommunikation: Einerseits schätzen die Menschen sozial und ökologisch verantwortungsvoll handelnde Unternehmen, andererseits erwarten sie, dass Unternehmen am besten nicht selbst über ihr nachhaltiges Handeln reden oder schreiben.
In manchen Branchen, z.B. Hotels, Retailern und anderen hat sich daraus eine eigene Herangehensweise entwickelt, die die Forschung Strategic Silence (strategisches Schweigen) bzw. Greenhushing (grünes Stillhalten) nennt, und immer häufiger zum Beispiel auf Websites bzw. im Internet beobachtet werden kann. Unternehmen verzichten lieber auf die Kommunikation einer Bio-Zertifizierung und somit den Beitrag zu Impression Management und Imagebildung, als dass durch mehr Aufmerksamkeit die Wahrscheinlichkeit wächst, in den Fokus von Aktivisten zu geraten. Dass sie sich nachhaltig entwickeln, sollen interessierte Menschen lieber selbst entdecken. Sind diese dann interessiert, gehen die Unternehmen direkt mit ihnen in den Dialog – persönlich und medial. Eine zweite Interpretation besagt, dass Strategic Silence bzw. Greenhushing darauf zurückzuführen sei, dass die untersuchten Unternehmen ihr nachhaltiges Handeln als normal bzw. Standard ansehen und daher nicht für kommunikationswürdig halten.
Wenn Unternehmen nicht über ihre Nachhaltigkeit sprechen
Einige Studien zeigen darüber hinaus, dass es generell möglich zu sein scheint, dass Unternehmen Kosten und Zeit für die CSR-Kommunikation reduzieren können, auch wenn sie CSR-konform handeln, da dies nicht immer einen nachweisbaren Impact bei ihren Stakeholdern zeigt (d.h.: going green, then going dark). Was jedoch daraus folgen würde: Die Inspiration von bekannten Unternehmen, sich nachhaltig zu entwickeln, ginge verloren. Ein Dilemma bleibt also immer. Doch vielleicht hat die Forschung eine Lösung für diesen Widerspruch. Sie ist dran.
Professur für Medien- und Kommunikationsmanagement
Über die Autorin
Prof. Dr. Angela Bittner-Fesseler ist Professorin für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule – The Mobile University. Sie arbeitete als Kommunikationschefin und Pressesprecherin für Wissenschaftsorganisationen, berät und beriet KMU und Startups. Zu ihren Forschungsgebieten zählen neben der Nachhaltigkeitskommunikation auch die Kommunikation von jungen Unternehmen, Gender- und Krisenkommunikation.
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