Kann eine Innovationsförderung nur über die großen, strategischen Ansätze verfolgt werden oder haben Hochschulen nicht grundsätzlich die Möglichkeiten, direkt da, wo Ideen und Wissen in Innovationen und Gründungen münden, zielgerichtet zu fördern?
Entrepreneurship und Wissenstransfer
Der Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) veröffentlichte 2020 eine Ausarbeitung, in der „Die Hochschulen als zentrale Akteure in Wissenschaft und Gesellschaft – Eckpunkte zur Rolle und zu den Herausforderungen des Hochschulsystems“ strategisch und visionär aufbereitet und strukturiert werden. Insgesamt werden zehn Handlungsfelder pointiert, die auch im internationalen Vergleich die besondere Vielfalt und hohe Qualität der deutschen Hochschulen nachhaltig sicherstellen sollen.
Die ersten beiden Handlungsfelder sind die „herausragende Lehre“ und die „exzellente Forschung“. Besonders erfreulich liest sich für einen Interessenvertreter von Innovationen und Start-ups, dass gleich als dritter Aspekt der „Transfer: Impulse für Innovation“ Eingang findet und unterstrichen wird, das Hochschulen „Motoren“ der ökonomischen und sozialen Innovation in Deutschland und ein Schlüsselsektor für den Weg in die Industrie 4.0 wie auch Garanten der nachhaltigen Entwicklung sind und sein sollten.
In 18 Punkten wird aufbereitet, wie diese Leistungsfähigkeit erhalten und ausgebaut werden sollte. Explizite Felder, die verstärkend auf die Bedeutung des „Transfers: Impulse für Innovation“ hinwirken, finden sich darunter dann jedoch nicht mehr. Zu Recht gilt dabei natürlich, dass keines dieser Elemente zur Förderung der Leistungsfähigkeit solitär und ohne Wechselwirkung beziehungsweise Einbettung mit anderen Leistungselementen funktionieren oder aufgestellt werden kann. Diese Auffälligkeit ist jedoch für eine gedankliche Auseinandersetzung mit diesem Themenfeld, wie es dieser Beitrag ist, ein erster guter Anker. Verstärkend, vielleicht sogar provozierend mag da ein Zitat eines Rektors einer führenden Hochschule im Südwesten Deutschlands sein: „Was brauchen wir Gründungen an der Hochschule, wenn doch die Wirtschaft die besten Absolventen als Arbeitskräfte benötigt.“
Land der Innovationen?
Deutschland gilt nicht als Land der Innovationen oder für Pioniere, die man gemeinhin zunächst mit dem amerikanischen Silicon-Valley in Verbindung bringt. In vielen Statistiken schneidet Deutschland mit einem Mittelfeldplatz ab, manchmal – für Einige eher überraschend – sogar mit einer Spitzenposition. Objektiv gehören die Rahmenbedingungen in Deutschland wohl zu den besten weltweit: Welches Öko-System kann eine ähnliche Finanzkraft und Vermögensverhältnisse aufweisen, hat eine Vielzahl bestausgebildeter Fachkräfte und Akademiker in den unterschiedlichsten Disziplinen, bietet einen absolut verlässlichen Rechtsrahmen für Eigentum und „Intellectual Property“, eine breite Landschaft an gesunden Unternehmen und kaufkräftigen Haushalten und noch Vieles mehr?
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„Der Köder muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken“
Dieses Sprichwort (von unbekannt) verdeutlicht, dass sämtliche Aktivitäten dem gewünschten Ergebnis dienen sollen und kein Selbstzweck sind. Es geht somit nicht um die Förderung der Hochschule als Institution, sondern zunächst um die Förderung von Gründungsaktivitäten (aus einer Hochschule heraus). Dass in einem zweiten Schritt diese Aktivitäten und Maßnahmen einer Hochschule ebenfalls entwickelt und unterstützt werden müssen, ist ein zwingendes Element zur Erreichung der übergeordneten Zielstellung einer nachhaltigen Gründungsförderung.
Was könnte ein zielführender Beitrag sein, dass sich die Fische zielgerichtet vermehren und sich prächtig entwickeln? Gründer:innen als Persönlichkeiten und Start-ups als Organisation sind Treiber von Innovationen, in diesem Fall auf Basis von Geschäftsmodellen. Was aber sind die Auslöser und Impulse, sich unternehmerisch auf den Weg zu machen? Die Makro-Bedingungen sind nicht zu vernachlässigen, jedoch stehen zuallererst Aspekte und Fähigkeiten im Vordergrund, die der Mikro-Ebene zuzuordnen sind. Hierzu zählen die Persönlichkeit, die Ausbildung und Qualifikation (Humankapital), Strategie- und Kreativmethoden, die gezielte Unterstützung und professionelle Netzwerke (unternehmerischen Aktivitäten). Eine gute Übersicht ergibt sich aus dem Amsterdam-Gießen-Model, welches die Einfluss- und letztlich Erfolgsfaktoren im Kontext darstellt.
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Eckpfeiler einer Innovations- und Gründungskultur
Was können denn die Eckpfeiler sein, die die Grundlage für ein nachhaltiges Etablieren sowohl einer Innovations-/Gründungskultur und idealer Weise auch entsprechender Erfolge und Ergebnisse sein, die ihre Ursprünge in einer Hochschule beziehungsweise dem Ökosystem einer Hochschule angehören? Tragende Säulen, also die Eckpfeiler, scheinen die Lehre und die Professionalität in der Unterstützung der Gründer:innen zu sein. Beide Aspekte sollen nun im Weiteren näher beleuchtet und analysiert werden.
Die Arbeitswelt der Zukunft ist geprägt von Innovationszyklen, die immer kürzer werden. (Technisches) Wissen, dass zu Beginn des Studiums vermittelt wurde, kann zum Ende des Studiums bereits wieder überholt sein. Neue Berufsbilder entstehen und so wird es für alle Beteiligten immer schwieriger, mit einer Ausbildung sich gezielt auf eine spätere berufliche Tätigkeit vorzubereiten. Fachwissen ist nach wie vor unerlässlich, aber die Meta- Kompetenzen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese sogenannten Zukunfts-Skills (Future-Skills) gelten als entscheidend und sind interdisziplinär zu verstehen.
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Die Trennung von Spreu vom Weizen
Für den ein oder anderen mögen die voranstehenden Ausführungen und Gedankengänge vielleicht nicht die letzte Erhellung gebracht haben, wie die Aktivitäten zur Gründer:innenförderung an der eigenen Hochschule auf ein neues Level gehoben werden können. Dann sei die Frage erlaubt, warum denn dieses entsprechende Level noch nicht erreicht ist. Oder mit anderen Worten, Fußball ist keine komplizierte Sportart, Fußball spielen kann fast jeder. Interessant ist jedoch, wer es in die Champions-League schafft, obwohl es auch nur Fußball spielen ist. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und man sollte sich die Spieler genauer anschauen, die die unterstützenden Gründungsaktivitäten an der jeweiligen Hochschule bespielen.
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Fazit
Deutschland bietet für Innovationen und Gründer:innen (fast) alles. Beste Ausbildung(ssysteme), eine kraftvolle Wirtschaft mit Kaufkraft, eine vielseitige Gesellschaft mit stabilen Rahmenbedingungen und auch ein Gesamtsystem, in dem Fördermittel und Investorengelder im Vergleich zu vielen mittbewerbenden Staaten über alle Aspekte hinweggesehen wirklich gute Voraussetzungen bietet. Und natürlich können alle Stellschrauben nachjustiert und Elemente verbessert werden, ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess kommt selbstredend nie zu einem Ende.
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Quelle:
https://www.wissenschaftsmanagement.de/news/entrepreneurship-und-wissenstransfer
B. Küppers, 2023, Wissenschaftsmanagement 2022 - Transfer und Peer Consulting, S. 1-12.
Professur für Entrepreneurship
Über den Autor
Prof. Bernhard Küppers ist Professor für Entepreneurship an der SRH Fernhochschule - The Mobile University und Leiter des SRH Gründer-Institutes mit Hauptsitz in Heidelberg.
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