Nach Corona ist vor Corona: Unternehmen passen ihre Arbeitsmodelle an. Im Interview mit Prof. Dr. Rudolf Forsthofer beleuchten wir die psychologischen Auswirkungen auf Mitarbeitende und Führungskräfte.
Zwischen Flexibilität und Kontrolle: Der Kampf um die Rückkehr ins Büro Teil 1
Nach der Pandemie gestalten viele Unternehmen ihre Arbeitsmodelle neu. Während einige wie SAP, Amazon und IBM die Rückkehr ins Büro fordern, verfolgen sie unterschiedliche Ansätze. IBM setzt auf ein Hybridmodell, bei dem Mitarbeitende mindestens drei Tage pro Woche im Büro arbeiten, um Produktivität und Innovation zu fördern. Ähnlich fordert auch Amazon seine Mitarbeiter:innen auf, verstärkt ins Büro zu kommen, um Teamkultur und Mentoring zu stärken. SAP hingegen hat sich auf eine Vereinbarung geeinigt, die zwei Tage Homeoffice pro Woche ermöglicht – ein Kompromiss zwischen Flexibilität und Präsenz.
Doch wie beeinflussen diese neuen Modelle die Arbeitszufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter:innen? Welche psychologischen Herausforderungen ergeben sich für Führungskräfte, die remote und vor Ort gleichermaßen agieren müssen? In diesem Interview sprechen wir mit Prof. Dr. Rudolf Forsthofer, Professor für Wirtschaftspsychologie und Studiengangsleiter Personalpsychologie und Human Resource Management (M.A.) über die psychologischen Auswirkungen des Remote-Rückzugs und analysieren die unterschiedlichen Strategien von Großunternehmen.
Viele Unternehmen ziehen ihre Mitarbeiter:innen nach der Pandemie wieder vermehrt ins Büro zurück. Was sind aus Ihrer Sicht die psychologischen Gründe, die hinter diesen Entscheidungen stehen?
Wenn Mitarbeiter:innen (MA) auf Distanz geführt werden (z. B. im Homeoffice) bedeutet das für Führungskräfte (FK), dass sie einen anderen Zugang, einen anderen Stil in der Führung ihrer MA finden müssen. Die damit verbundenen Herausforderungen sind groß und müssen entsprechend gemeistert werden, was vielen FK inzwischen gut gelingt, vielen aber auch (noch) nicht. Gerade FK, die noch ein sehr traditionelles Führungsverständnis haben, das u. a. von einem starken Bedürfnis geprägt ist, ihre MA sehr direktiv zu führen und sehr stark zu kontrollieren, fällt es immer noch sehr schwer, den MA eine größere Autonomie und insbesondere größere Entscheidungs-, Handlungs- und Kontrollspielräume zu gewähren. Das war mit Sicherheit einer der zentralen Gründe, warum viele FK vor der Pandemie überhaupt nicht für die Möglichkeit zugänglich waren, ihren MA Homeoffice-Tage zu gewähren und wir sehen dies auch aktuell wieder. Eine erfolgreiche Führung auf Distanz erfordert einen anderen Führungsstil, wie wir ihn bspw. im Konzept der „Transformationalen Führung“ sehen und der von einem ganz besonderen Verhältnis zwischen FK und MA geprägt ist. Die zentralen Faktoren hier sind eine stärkere MA-Partizipation bei der Entscheidungsfindung, Kommunikation und Interaktion auf Augenhöhe, die ehrliche Berücksichtigung der Bedürfnisse der MA und eine (pro-)aktive Pflege und Förderung der sozialen Beziehungen im Team – und das sind nur einige, sehr wichtige Faktoren. Ein Faktor liegt aber all diesen Dingen zugrunde, er bildet soz. die Basis dafür, dass ein solcher Führungsstil auch funktioniert und erfolgreich ist: Der Faktor „Vertrauen“, und zwar ein ehrliches, authentisch gelebtes Vertrauen zwischen FK und MA. Die eminente Wichtigkeit dieser Faktoren wird aber längst nicht von allen FK gesehen, geschweige denn, dass sie diese Faktoren in ihrem Führungshandeln umsetzen und täglich leben. Daraus resultiert dann natürlich das Unbehagen dieser FK in ihrem Führungsalltag, wenn sie ihre MA nicht direkt und realiter im Büro vor sich haben.
Bei Unternehmen wie IBM und Amazon wird argumentiert, dass persönliche Zusammenarbeit im Büro die Leistung verbessert. Wie stark spielt hier das Thema Vertrauen eine Rolle, wenn Führungskräfte ihre Mitarbeitender:innen lieber vor Ort sehen möchten?
Wie bereits erwähnt, kann eine vertrauensvolle Beziehung zwischen FK und MA als Kardinalfaktor für eine erfolgreiche Führung betrachtet werden, und zwar in jeder Konstellation, ob die MA nun in Präsenz oder Remote geführt werden. Wenn die MA vor Ort geführt werden, ist dabei vieles natürlich einfacher. Dies betrifft z. B. den gesamten Bereich der nonverbalen Kommunikation und Interaktion. Ob die FK dem MA echtes Vertrauen entgegenbringt, zeigt diese ja gerade auch in vielen kleineren und größeren alltäglichen Signalen und Gesten, die über technische Kanäle nur viel schwieriger zu vermitteln sind. Das bedeutet im Umkehrschluss natürlich, dass es für FK in der Führung auf Distanz viel anstrengender und v. a. zeitaufwändiger ist, eine Vertrauensbasis mit ihren MA zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Bei der Führung auf Distanz muss die FK viele Dinge explizit kommunizieren, die bei der Führung vor Ort ganz einfach durch das entsprechende Verhalten und die Kommunikations- und Interaktionsmuster der FK v. a. auch auf der nonverbalen Ebene vermittelt werden. Die FK muss MA im Homeoffice viel öfter und viel expliziter mit (positivem) Feedback versorgen, muss viel öfter und expliziter die Bedürfnisse der MA zum expliziten Thema in der Remote-Kommunikation machen und muss auch viel stärker und ganz explizit die sozialen Beziehungen der Teammitglieder ansprechen, unterstützen und fördern. Da reicht es ganz einfach nicht, immer mal wieder lediglich den Stand der Aufgabenbearbeitung abzurufen.
Wie können Führungskräfte Vertrauen in Teams aufbauen, die weiterhin hybrid oder remote arbeiten? Gibt es Best Practices, um Distanzarbeit erfolgreich zu managen?
Hier kann man sich am gut beforschten 3-Phasen-Modell des Vertrauensaufbaus nach Petermann orientieren:
- Phase 1: Herstellen einer verständnisvollen Kommunikation
- Phase 2: Abbau von bedrohlichen Handlungen
- Phase 3: Gezielter Einsatz von verhaltensauslösenden oder-fördernden Handlungen
Zum Herstellen einer verständnisvollen Kommunikation (also Phase 1) gehören solche Dinge wie echtes und ehrlich interessiertes Zuhören der FK, die authentische Vermittlung von Wertschätzung der MA, die aktive Thematisierung der Interessen und Bedürfnisse der MA oder das offene Einfordern von Kritik. Die FK benötigt hierfür ein feines Sensorium für die Befindlichkeit Ihrer MA, auch und gerade was evtl. Ängste oder Befürchtungen betrifft. Auch hier führen die 4 „I“ aus der transformationalen Führung weiter:
Inspirierende Motivation, Intellektuelle Stimulation, Individuelle Betrachtung (der MA) und Idealisierter Einfluss (in dem Sinne, dass die MA ihre FK als Vorbild mit Charisma wertschätzen).
Zu Phase 2, also dem Abbau bedrohlicher Handlungen gehört schlicht alles, was bei den MA zu Misstrauen und Enttäuschung führen kann. Das liest sich wie ein Negativ-Katalog schlechter Führungsverhaltensweisen, wie Vereinbarungen nicht halten, Drohungen aussprechen, Druck erzeugen, intransparent, mehrdeutig oder gar nicht informieren etc. pp.
Und Phase 3, gezielter Einsatz von verhaltensauslösenden oder -fördernden Handlungen der Führungskraft besteht bspw. in der expliziten Ermunterung, auch einmal eigene, neue Ideen auszuprobieren, Sicherheit zu vermitteln, dass Fehler oder Irrwege nicht sanktioniert werden, sondern zum Lernen da sind, mit Belohnungen nicht zu sparen, wie z. B. Lob für gezeigte Initiative aussprechen oder positives Feedback zu guten oder besonderen Leistungen geben, mit einem Wort: Anerkennung zollen!
Im zweiten Teil unseres Beitrags erklärt Prof. Dr. Forsthofer, wie ein Remote-Rückzug Produktivität und Unternehmenskultur beeinflusst, Konflikte vermeidet und ob veränderte Arbeitsgewohnheiten eine Be- oder Entlastung bringen.
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