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Trendthemen 2023 der Sozialen Arbeit: Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Neues Betreuungsgesetz 2023: Mehr Selbstbestimmung für Klienten:innen - mehr Anforderungen für Berufsbetreuer:innen

Berufsbetreuer:innen haben nicht immer den besten Ruf. Sie werden beauftragt, wenn Menschen nach professioneller oder eigener Einschätzung nicht mehr oder nur teilweise für sich selbst sorgen zu können, aber niemand aus dem persönlichen Umfeld die Betreuung übernehmen kann oder will. Welche Handhabe Berufsbetreuer:innen dann zum Wohle und nach dem Willen der Betroffenen haben, regelt das neu geschaffene Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) und ersetzt damit das bisher geltende Betreuungsbehördengesetz. Die Reform war überfällig – und sorgt nun, da sie endlich da ist, doch wieder für Diskussionen.

 

Vorweg: Wie weitreichend eine Betreuung ist und welche Bereiche auf die Betreuenden übertragen werden, entscheidet weiterhin ein Gericht. Dennoch mag es einem unwirklich vorkommen, dass von Rechts wegen plötzlich jemand anderes über persönliche Belange eines Menschen verfügen kann – zum Beispiel seine Gesundheit, sein Zuhause oder sein Vermögen. Das kann aber zum Beispiel wegen chronischer Krankheit, hohem Alter oder einer Behinderung schnell der Fall sein. Natürlich erfolgt so ein Schritt idealerweise nach reiflicher Überlegung und in bester Absicht, wenn die Sorge besteht, dass Menschen sich und andere in Gefahr bringen, wenn man sie sich selbst überlässt.

So weit, so gut gedacht. Doch Betreuer:innen haben weitreichende Befugnisse, können Wohnungen auflösen, über die Konten der Betroffenen verfügen und sie in Betreuungseinrichtungen einweisen lassen. Das wirft bei den Betroffenen selbst wie auch bei den Angehörigen häufig Fragen auf: Handeln Betreuer:innen wirklich immer im Sinne der Menschen, für die sie verantwortlich sind? Wie lassen sich die Wünsche der Betroffenen zweifelsfrei feststellen, zum Beispiel bei Demenzkranken? Wie werden die Berufsbetreuer:innen kontrolliert?

Prof. Dr. Daniela Voigt, Expertin für Soziale Arbeit an der SRH Fernhochschule, klärt auf:

„Berufsbetreuung und Selbstbestimmung können sich unter bestimmten Umständen widersprechen. Die Aufgabe des Berufsbetreuers ist es, die Interessen des Betreuten zu vertreten und für dessen Wohl zu sorgen. Dabei kann es jedoch passieren, dass der Betreuer Entscheidungen trifft, die nicht im Einklang mit den Vorstellungen des Betreuten stehen oder dessen Autonomie einschränken. Daher ist es wichtig, dass die Berufsbetreuung auf die Stärkung der Selbstbestimmung ausgerichtet ist und die Betreuten bei allen Entscheidungen so weit wie möglich mit einbezogen werden. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Betreuer:innen und Betreuten ist hierbei von großer Bedeutung.“

Fachkenntnisse Fehlanzeige? Wie gut sind Berufsbetreuer:innen qualifiziert?

Bislang hatte nahezu jede Kommune eigene Qualifizierungskonzepte und -verfahren – das hat sich im Zuge der Reform geändert. Inzwischen ist ein Sachkundenachweis für professionelle Betreuer:innen Pflicht. Ehrenamtliche sollen sich sogenannten Betreuungsvereinen anschließen, wo sie sich beraten lassen und fortbilden können. Doch die Neuerungen gehen den meisten nicht weit genug, allen voran den Berufsbetreuer:innen selbst. Sie bemängeln, dass ihr komplexer Berufsstand nach einer akademischen Qualifikation verlangt. Außerdem drängen sie über ihre Verbände auf die Bildung einer Kammer, die ihren Beruf definiert, so wie zum Beispiel die Ärzte- oder Handwerkskammern.

Prof. Dr. Daniela Voigt

ist Professorin für Soziale Arbeit an der SRH Fernhochschule - The Mobile University.

Um sich erfolgreich als Berufsbetreuer:in zu registrieren, müssen bestimmte Anforderungen erfüllt werden, die gemäß § 23 Abs. 1 BtOG festgelegt sind. Hierzu zählen:

  • Persönliche Eignung und Zuverlässigkeit
  • Ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer
  • Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 Euro für jeden Versicherungsfall, um die sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren abzudecken

 

Der Antrag auf Registrierung muss bei der zuständigen Stammbehörde eingereicht werden. Folgende Unterlagen müssen vorgelegt werden:

  • Ein Führungszeugnis nach § 30 des Bundeszentralregisters, das nicht älter als 3 Monate ist.
  • Ein Auszug aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis nach § 882b der Zivilprozessordnung, der nicht älter als 3 Monate ist.
  • Eine Erklärung darüber, ob ein Insolvenz-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist.
  • Nachweis über eine Berufshaftpflichtversicherung.
  • Eine Erklärung darüber, ob in den letzten drei Jahren vor Antragstellung eine Registrierung als Berufsbetreuer versagt, zurückgenommen oder widerrufen wurde.
  • Geeignete Nachweise über den Erwerb der erforderlichen Sachkunde gemäß § 23 BtOG.

„Vieles am Betreuungsgesetz noch unklar“

„Art und Umfang der Sachkunde bleiben bisher relativ nebulös“, kritisiert Prof. Dr. Voigt die bisherigen Angaben. „Für eine erfolgreiche Tätigkeit als Berufsbetreuer:in sind vertiefte Kenntnisse in verschiedenen Bereichen erforderlich. Dazu gehören insbesondere das Betreuungs- und Unterbringungsrecht sowie das Verfahrensrecht, die Personen- und Vermögenssorge betreffend. Auch Kenntnisse des sozialrechtlichen Unterstützungssystems sind wichtig.“

Darüber hinaus sollten Berufsbetreuer:innen über Kenntnisse in der Kommunikation mit Menschen mit Erkrankungen und Behinderungen verfügen und Methoden zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung beherrschen. „Unklar ist noch, ob gewisse Berufs- und Hochschulausbildungen anerkannt werden. Der aktuelle Trend zeigt eine sogenannte Positiv-Liste mit Ausbildungen, die die Vermittlung ausreichender Sachkunde vermuten lassen. Besonders spannend ist diese Liste für Juristen:innen und Sozialarbeiter:innen.

Seit dem 1. Januar 2023 müssen auch bereits tätige Berufsbetreuer:innen die Registrierungspflicht beachten, wenn sie weiterhin eine Vergütung erhalten möchten. Einzige Ausnahme ist der Sachkundenachweis, der je nach Dauer der Berufstätigkeit variiert. Die genauen Bestimmungen werden in § 32 BtOG festgehalten.

Für Betreuer:innen, die ab dem 1. Januar 2020 ihre Tätigkeit aufgenommen haben, gilt das normale Registrierungsverfahren. Der Sachkundenachweis muss bis zum 1. Januar 2024 erbracht werden. In der Zwischenzeit können sie vorläufig registriert werden und ihre Vergütung erhalten. Wird der Nachweis jedoch nicht innerhalb der Frist erbracht, kann die Registrierung widerrufen werden. Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist dann die einzige Option.

Berufsbetreuer:innen, die bereits vor dem 1. Januar 2020 tätig waren, werden als "Altbetreuer:innen" bezeichnet. Sie müssen innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Registrierung stellen, benötigen jedoch keinen Sachkundenachweis. Der Gesetzgeber geht in diesen Fällen davon aus ist, dass sie aufgrund ihrer Berufserfahrung über ausreichend Sachkunde verfügen. Altbetreuer:innen werden vorläufig registriert und erhalten dementsprechend ihre Vergütung. Innerhalb von sechs Monaten wird über ihren Antrag entschieden.

„Betreuungsgesetz schafft mehr Transparenz und Sicherheit bei der Vergütung“

„Seit diesem Jahr entscheidet nicht mehr die Anzahl der Klienten darüber, ob Sie Berufsbetreuer:in sind, sondern allein Ihre Registrierung. Ihr Vergütungsanspruch hängt ebenfalls von der Registrierung als solche ab – im Gegensatz zum aktuellen Recht, bei dem die Feststellung der Berufsmäßigkeit durch das Betreuungsgericht eine Rolle spielte. Folglich wird es nicht mehr vorkommen, dass Berufsbetreuer:innen wegen eines vergessenen Feststellungsbeschlusses keine Vergütung erhalten.

Als Berufsbetreuer:in mit Sachkundenachweis können sie außerdem eine verbindliche Einstufung in die Vergütungstabellen A bis C beantragen. Seit 2019 regelt das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung (VBVG) Einzelheiten zur Betreuervergütung. In diesen Vergütungstabellen sind monatliche Fallpauschalen für Berufsbetreuer:innen festgelegt.

Neu ist, dass registrierte Betreuer:innen eine verbindliche Einstufung in die Vergütungstabellen bei dem für ihren Sitz oder Wohnsitz zuständigen Amtsgericht beantragen können. Die Einstufung erfolgt durch den Direktor des Amtsgerichts oder einen Richter bzw. Rechtspfleger. Sie gilt dauerhaft für alle aktuellen und zukünftigen Betreuungen im gesamten Bundesgebiet, unabhängig davon, welches Gericht die Bestellung vorgenommen hat.

Diese Einstufung bietet mehr Sicherheit bezüglich der Vergütungsstufe und verhindert spätere Herabstufungen. Wenn Sie mit Ihrer Einstufung nicht einverstanden sind, können Sie den Antrag zurückziehen oder eine gerichtliche Überprüfung beim Oberlandesgericht beantragen. Auch nachträgliche Änderungen sind auf Ihren Antrag hin möglich, wenn sich Ihre persönlichen Voraussetzungen ändern, zum Beispiel aufgrund eines abgeschlossenen Studienganges.“

Wer soll das bezahlen? Die Fallpauschale?

Die Verbände üben dennoch Kritik an den neuen Regelungen zur Vergütung. So sei der Wechsel von Stundenkontingenten zu einer Fallpauschale zwar richtig, der tatsächliche Aufwand werde aber nicht angemessen honoriert. Gleichzeitig beklagen Betroffene intransparente Abrechnungen und dass zum Beispiel persönliche Gegenstände unter Wert – oder überhaupt – veräußert werden. „Hier sollte der Gesetzgeber schnell nachbessern, wenn sich trotz der Fallpauschalen keine zufriedenstellende Situation einstellt“, so Prof. Dr. Voigt. Das könnte aber Wunschdenken bleiben: Die jetzige Reform sollte eigentlich zeitnah nach dem ursprünglichen Gesetz auf den Weg gebracht werden – doch das wurde bereits 1992, also vor über 30 Jahren, verabschiedet.

Und der Wille der Betroffenen? Es bleibt kompliziert!

Fachleute, NGOs und Betroffene sind ebenfalls nicht zufrieden. Sie kritisieren, dass auch mit dem neuen Gesetz nicht sichergestellt sei, dass bei allen Betreuungsmaßnahmen wirklich der Wille der Betroffenen im Vordergrund steht. „Das kann zum Beispiel dann zum Problem werden, wenn Betreuer:innen zu der Einschätzung kommen, dass sich die Betroffenen selbst schaden, wenn es nach ihrem Willen geht“, erklärt Prof. Dr. Voigt. „Sei es, weil sie dringende medizinische Behandlungen ablehnen, zu Suchtmitteln greifen oder sich durch ihr Konsumverhalten in Notlage bringen. Hier ringen alle Parteien noch um den richtigen Weg. Grundsätzlich haben die Klienten:innen stets die Möglichkeit, das Betreuungsverhältnis auf eigenen Wunsch beim Gericht zu beenden.“

Fazit

Die Reform des Betreuungsgesetzes setzt an vielen Stellen an, die von allen Beteiligten als verbesserungswürdig angesehen werden. Dennoch zeigen sich die Schwachstellen in der Praxis schnell. Ebenso schnell sollte daher eigentlich nachgebessert werden – womit aber kaum zu rechnen ist.

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