Die EU-Entwaldungsrichtlinie markiert einen Wendepunkt im Kampf gegen die Abholzung von Wäldern und setzt strenge Regeln für den Handel mit Rohstoffen wie Soja, Palmöl und Holz.
Revolution im Wald: Die Europäische Union hat mit der EU-Entwaldungsrichtlinie (EUDR) einen historischen Schritt gegen die Abholzung gesetzt. Dieser Meilenstein markiert einen neuen Wendepunkt im weltweiten Kampf für die biologische Vielfalt und den Erhalt natürlicher Lebensräume. Am 30. Dezember 2024 wird die EUDR in Kraft treten. Von diesem Zeitpunkt an werden Rohstoffe wie Soja, Rinder, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee und Kautschuk strengen Regeln unterliegen, wenn es um ihre Einfuhr und Verarbeitung in der EU geht.
Wald im Wandel
Wälder gehören zu den wichtigsten und größten Ökosystemen unserer Erde. Sie sind nicht nur Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, sondern auch entscheidend für den Klima- und Umweltschutz. Bereits im Jahr 1713 formuliert Hans Carl von Carlowitz die Wichtigkeit einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung „es solle immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen kann“ (Sylvicultura oeconomica). Trotz dieser Erkenntnisse werden Wälder weiterhin in alarmierendem Tempo gerodet, sei es für landwirtschaftliche Zwecke, Bergbau oder die Ausdehnung von Siedlungen. Diese Praxis hat verheerende Auswirkungen auf die Umwelt, von der Zerstörung von Lebensräumen bis zur Beschleunigung des Klimawandels.
Die EUDR sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass keine Produkte auf den EU-Markt gelangen, die aus illegal gerodeten oder abgeholzten Wäldern stammen. Zudem legt sie Mechanismen fest, um die Lieferketten zu überwachen und sicherzustellen, dass Unternehmen verantwortungsvoll handeln und nachhaltige Praktiken einhalten.
Palmöl auf dem Prüfstand
Diese Entwicklung wirft jedoch auch wichtige Fragen auf, insbesondere in Bezug auf die Umsetzung und Wirksamkeit der Richtlinie. Einer von vielen Bereichen, der zunehmend in den Fokus rückt, ist die Verwendung von Palmöl in Produkten des täglichen Bedarfs. In bereits jedem zweiten Supermarktprodukt, wie Lebensmitteln und Kosmetika ist Palmöl enthalten. Nicht verwunderlich also, das in Palmöl eine der Hauptursachen für die Entwaldung in Regionen wie Südostasien liegt, wo riesige Flächen von Regenwald gerodet werden, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen. In den letzten Monaten haben Verbraucher:innen vermehrt auf Etiketten den Hinweis "ohne Palmöl" gesehen. Doch dies ist nicht allein auf ein plötzliches Umweltbewusstsein der Unternehmen zurückzuführen, sondern auch eine Reaktion auf veränderte Marktbedingungen und regulatorische Anforderungen. Die EU-Entwaldungsrichtlinie zwingt Unternehmen dazu, ihre Lieferketten zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie keine Produkte verwenden, die aus illegal gerodeten Wäldern stammen. Dies hat dazu geführt, dass Unternehmen vermehrt auf alternative Zutaten und Rohstoffe umsteigen, um den Verbraucheranforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig den Umweltschutz zu fördern.
Die EUDR ersetzt die bisherige EU-Holzhandelsverordnung und setzt neue Maßstäbe für die Sorgfaltspflicht der Unternehmen. Die Richtlinie führt ein Länder-Benchmarking ein, um das Risiko der Entwaldung in verschiedenen Regionen zu bewerten und entsprechende Kontrollmaßnahmen zu ergreifen. Unternehmen müssen ein umfangreiches Sorgfaltspflichtverfahren durchlaufen und nachweisen, dass ihre Produkte frei von Entwaldungsrisiken sind.
Um weitere Einblicke in dieses Thema zu erhalten, haben wir bei unserer Nachhaltigkeitsexpertin Gabriele Fuchs genauer nachgefragt:
Welche Auswirkungen erwarten Sie von der EU-Entwaldungsrichtlinie auf die Verwendung von Rohstoffen wie Palmöl, Soja, Rindfleisch und Kakao in Produkten des täglichen Bedarfs?
“Alleine in Deutschland ist rund ein Drittel aller Umwelteffekte auf die Produktion und den Konsum von Lebensmitteln zurückzuführen. Im Jahr 2022 verursachte unsere Landwirtschaft 7,4 % der gesamten GHG-Emissionen. Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Agrarrohstoffe sind folglich ein quantitativ relevantes Thema. Die Frage wird aber sein, welche alternativen Rohstoffe werden Lebensmittel- und Kosmetikindustrie finden, die nicht mit einer Reduktion von Waldflächen zwecks Anbaus oder Zucht einhergehen. Meiner Ansicht nach werden wir letztlich nicht um ein geändertes Konsumverhalten und teilweisen Konsumverzicht umhinkommen, wenn wir den Wald als eines unserer wichtigsten Öko-Systeme retten wollen.”
Wie kann die Wirtschaft dazu beitragen, die Umsetzung der Richtlinie zu unterstützen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein?
“Unternehmen müssen zunächst ganz genau ihre Lieferketten prüfen, die Marktstrukturen sind häufig komplex, die Lieferketten wenig transparent. Das ist also nicht immer einfach. Man sollte sich in Brancheninitiativen zusammenschließen und mit NGO´s in den betroffenen Regionen zusammenarbeiten. Diese kennen oft die Verhältnisse in den Ländern vor Ort am besten und können auch eventuell eintretende Verlagerungsmechanismen kritisch beurteilen, da sie in der Regel in einer Vielzahl gefährdeter Regionen aktiv sind. Wenn die Kakaobohne für mich als Schokoladenhersteller einer der wichtigsten Rohstoffe ist, muss ich vielleicht einmal die Situation vor Ort persönlich anschauen, Präsenz zeigen und meinem Rohstofflieferanten sagen, dass ich erwarte, dass er z.B. Plantagenexpansionen nur auf bereits gerodeten Gebieten vornimmt. Persönliches Engagement und Kooperation sind sicher wichtige Elemente in der Lieferkettenverantwortung.”
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung der Richtlinie auf nationaler Ebene, insbesondere in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten?
“Eine EU-weite einheitliche Regulatorik ist stets sinnvoll, als unmittelbar geltendes Unionsrecht muss die Verordnung nicht in nationales Recht umgesetzt, lediglich um einige Durchführungsverordnungen ergänzt werden. Die nationale und EU-weite Umsetzung sehe ich auch nicht als problematisch an, eher die Zusammenarbeit mit den Produzentenländern z.B. in Südostasien. Die Menschen leben dort vom Anbau und Verkauf dieser Rohstoffe, das dürfen wir nicht vergessen. Der globale Süden zählt in jeder Hinsicht zu den Verlierern des Klimawandels und trägt enorme ökologische wie ökonomische und soziale Lasten. Wir müssen hier kooperieren und helfen, den Bauern andere Einkommensquellen zu erschließen und neue „wald-freundliche“ Projekte aufzusetzen. Intergenerative Gerechtigkeit ist eine Aufgabe für die wohlhabenden Länder, wir sind hier gefordert.”
Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher dazu beitragen, die Verwendung von Rohstoffen, die zur Entwaldung beitragen, zu reduzieren und die Nachfrage nach nachhaltigen Alternativen zu fördern?
“Die beste Wahl sind wahrscheinlich zertifizierte Produkte aus biologischem Anbau in Kombination mit fairem Handel. Zunehmend wird auf Produktetiketten explizit auf „Entwaldungsfreiheit“ hingewiesen. Dabei müssen wir natürlich schauen, dass hier kein Greenwashing betrieben wird und wie die Konsumalternativen aussehen. Ich bin in allen Nachhaltigkeitsthemen ein großer Freund des „Awareness-Schaffens“. Es ist immer und zuallererst wichtig, bei den Menschen ein Bewusstsein für die Themen der Nachhaltigkeit zu schärfen und ein Informations- und Bildungsangebot zu schaffen. Verbraucherverbände können hier Sinnstiftendes tun, aber auch Kindergärten, Schulen und sonstige Bildungseinrichtungen können den Menschen von klein bis groß zeigen, warum man sich um den Wald erhebliche Sorgen machen muss und wie man zum Beispiel durch einen bewusst „entwaldungsfreien“ Speiseplan als Individuum etwas beitragen kann. Auch Unternehmen könnten sich tolle Initiativen einfallen lassen, wie zum Beispiel eine Woche, in der jeden Tag ein leckeres, „entwaldungsfreies“ Gericht in der Betriebskantine angeboten wird. Begleitet werden könnte dies von einem Projekt, in dem Auszubildende des Unternehmens gleichzeitig in der Betriebskantine eine Ausstellung zum Thema „Der Wald als überlebenswichtiges Ökosystem“ gestalten dürfen.”
Die Einführung der EUDR ist ein bedeutsamer Schritt hin zu einer nachhaltigeren Zukunft. Sie trägt dazu bei, den Schutz der Wälder zu stärken und den Handel von entwaldungsfreien Produkten zu fördern. Letztendlich liegt es in der Verantwortung der Regierungen, Unternehmen und Verbraucher, gemeinsam den Schutz der Wälder zu unterstützen und eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.
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5 Fakten zur EU-Entwaldungsrichtline (EUDR)
Die EU-Entwaldungsrichtlinie zielt darauf ab, sicherzustellen, dass Produkte, die auf dem EU-Markt verkauft werden, nicht zur Entwaldung beitragen.
Die Richtlinie verbietet den Verkauf von Produkten, die aus illegal gerodeten oder abgeholzten Wäldern stammen.
Unternehmen müssen ihre Lieferketten überprüfen und sicherstellen, dass ihre Produkte keine Verbindungen zur Entwaldung haben.
Die Richtlinie fördert den Einsatz nachhaltiger Alternativen zu Rohstoffen wie Palmöl, Soja und Rindfleisch, die eng mit der Entwaldung verbunden sind.
Unternehmen, die gegen die Richtlinie verstoßen, können mit Geldbußen belegt werden, um die Einhaltung zu gewährleisten und den Schutz der Wälder zu unterstützen.
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