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Behavioral Finance: Wie beeinflussen Gefühle und Wahrnehmung unser Investitionsverhalten?

Was ist Behavioral Finance und in wie weit unterscheidet sich dieser Ansatz von klassischen Kapitalmarkttheorien?

Finanzentscheidungen gelten oft als reine Kalkulation von Chancen und Risiken. Doch die Forschung in der Behavioral Finance zeigt, dass Gefühle und Wahrnehmungen unser Investitionsverhalten stark prägen – oft ohne, dass wir uns dessen bewusst sind. Behavioral Finance Forschungsfeld, das sich mit der Anwendung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse auf Finanzentscheidungen und -märkte befasst. Es untersucht wie psychologische Faktoren unsere Entscheidungen im Finanzbereich beeinflussen. Im folgenden Interview mit Finanzexpertin Prof. Dr. Tea Riedel werfen wir einen Blick darauf, wie diese Faktoren das Anlageverhalten formen und welche typischen Denkfehler häufig auftreten.

Prof. Dr. Riedel, Sie sind Expertin im Bereich Finance. Können Sie uns kurz erklären, was genau Behavioral Finance ist und wie es sich von klassischen Kapitalmarkttheorien unterscheidet?

Gerne. Behavioral Finance ist ein Forschungsbereich, der sich damit beschäftigt, wie psychologische und emotionale Faktoren das Anlageverhalten von Individuen und die daraus resultierenden Marktergebnisse beeinflussen. Während klassische Kapitalmarkttheorien davon ausgehen, dass Anleger:innen im Sinne des „Homo Oeconomicus“ rational handeln und Entscheidungen auf Basis von Erwartungen und Präferenzen treffen, verzichtet die Behavioral Finance explizit auf diese Annahme und geht davon aus, dass unsere Entscheidungen oft von emotionalen und kognitiven Verzerrungen geprägt sind. Zudem setzen klassische Theorien eine „Markteffizienz“ voraus, bei der alle Informationen am Kapitalmarkt vollständig und schnell in den Preisen reflektiert werden. Nach dieser Theorie sind zukünftige Preisbewegungen somit nicht vorhersehbar und es sollten keine klaren Trends beobachtbar sein. Dennoch zeigt die Realität häufig überbewertete Märkte und spekulative Blasen, die sich mit den klassischen Theorien nicht erklären lassen. Vielmehr können diese Phänomene durch psychologische Verhaltensmuster wie Herdenverhalten, übermäßigen Optimismus und kognitive Verzerrungen erklärt werden.

Welche grundlegenden Verzerrungen treten denn häufig bei Investor:innen auf?

Verzerrungen lassen sich in kognitive und emotionale Biases unterteilen. Kognitive Verzerrungen entstehen meist durch Fehler in der Informationsverarbeitung oder aufgrund falscher Annahmen. Ein gutes Beispiel ist der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias). Individuen neigen oft dazu, nur Informationen zu berücksichtigen, die ihre bestehenden Meinungen unterstützen und blenden häufig Warnsignale aus. Emotionale Verzerrungen hingegen entstehen durch Gefühle wie Angst oder Gier und individuelle Überzeugungen. Ein bekannter emotionaler Bias ist die Verlustaversion. Diese beschreibt die Tendenz, Verluste stärker zu gewichten als Gewinne. Laut Studien empfinden wir den Schmerz eines Verlusts etwa doppelt so stark wie die Freude über einen gleich hohen Gewinn – ein Effekt, der unser Verhalten stark prägen kann.

Wie wirkt sich diese Verlustaversion denn konkret auf das Investitionsverhalten aus?

Verlustaversion kann dazu führen, dass Anleger zu riskante Positionen halten oder wertvolle Chancen verpassen. Zum Beispiel halten Investoren oft an verlustreichen Investments fest, in der Hoffnung, dass sich der Kurs doch noch erholt. Gleichzeitig verkaufen sie gewinnbringende Positionen zu schnell, aus Angst, dass diese Gewinne bald verloren gehen könnten – das nennt man den Dispositionseffekt. Langfristig führt dies häufig zu geringeren Renditen, da Anleger:innen nicht optimal diversifizieren und sich zu stark auf bestimmte Einzeltitel konzentrieren, anstatt eine breitere Streuung im Rahmen einer langfristigen Portfoliostrategie anzustreben. Dadurch verlagert sich der Fokus von der Maximierung des langfristigen Vermögens hin zu kurzfristigen Gewinnen und Verlusten.

Welche Unterschiede beobachten Sie zwischen professionellen und privaten Investoren in Bezug auf diese Verhaltensmuster?

Professionelle Investoren sind sich ihrer emotionalen Tendenzen oft stärker bewusst und verfügen über Strategien, um solche Verzerrungen zu vermeiden. Sie haben zudem meist einen langfristigen Anlagehorizont und eine feste Strategie, während private Anleger:innen oft impulsiver handeln und sich stark von kurzfristigen Markttrends oder Medienberichten beeinflussen lassen. Professionelle Investoren setzen auf Diversifikation und eine klare Anlagestrategie, während private Investoren häufiger zu spekulativen Entscheidungen neigen oder auch „Stock-Picking“ betreiben. Auch der Herdentrieb ist bei privaten Anlegern ausgeprägter, da häufig aktuelle Trends nachgeahmt werden.

Sie erwähnten den Bestätigungsfehler. Welche Rolle spielt er auf den Finanzmärkten, und wie können Anleger ihm entgegenwirken?

Der Bestätigungsfehler sorgt dafür, dass Anleger:innen nur Informationen wahrnehmen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen und widersprüchliche Informationen ignorieren. Dies führt oft dazu, dass sie Warnsignale übersehen und riskante Positionen halten, weil sie glauben, im Recht zu sein. Ein wichtiger Schritt zur Vermeidung dieses Fehlers ist, sich aktiv mit gegenteiligen Meinungen auseinanderzusetzen. Professionelle Investor:innen nutzen dafür häufig eine sogenannte Contrarian-Strategie: Sie prüfen bewusst die Argumente der Gegenseite, um ihre Position zu hinterfragen. Zudem kann eine klare Anlagestrategie helfen, impulsive oder auf Bestätigung basierende Entscheidungen zu vermeiden.

Ein weiterer interessanter Punkt ist die Illusion der Kontrolle. Wie beeinflusst diese Verzerrung das Verhalten von Anlegern?

Die Illusion der Kontrolle und somit auch das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten (Overconfidence) führt dazu, dass Anleger:innen glauben, sie könnten Marktentwicklungen vorhersagen. Das zeigt sich beispielsweise im sogenannten Excessive Trading – also dem häufigen Kaufen und Verkaufen von Aktien. Viele Anleger:innen handeln zu oft und gehen zudem oftmals riskantere Positionen ein, da sie ihre Fähigkeiten überschätzen. Der häufige Handel führt zu hohen Transaktionskosten und schmälert langfristig die Rendite. Gerade auf unberechenbaren Märkten sollte man sich bewusst machen, dass viele Entwicklungen zufällig sind und sich nur schwer kontrollieren lassen. Hier ist eine passive Strategie oft erfolgreicher.

Viele Anleger:innen handeln zu oft und gehen zudem oftmals riskantere Positionen ein, da sie ihre Fähigkeiten überschätzen.
Prof. Dr. Tea Riedel - Professorin für Finance

Welche Strategien empfehlen Sie, um solche emotionalen und kognitiven Verzerrungen besser in den Griff zu bekommen?

Zunächst ist das Bewusstsein für diese Verzerrungen essenziell. Wenn Anleger:innen erkennen, dass sie zu bestimmten Denkfehlern neigen, können sie gezielt daran arbeiten. Eine gute Anlagestrategie mit klar definierten Zielen hilft ebenfalls, impulsives Handeln zu vermeiden. Langfristiges Denken ist entscheidend, um sich nicht von kurzfristigen Marktschwankungen beeinflussen zu lassen. Außerdem empfehle ich eine breite Diversifikation, um das Risiko zu minimieren. Regelmäßige Weiterbildung in Finanzfragen verbessert ebenfalls die Entscheidungsqualität und stärkt das Vertrauen in eine solide Anlagestrategie.

Wenn Anleger:innen erkennen, dass sie zu bestimmten Denkfehlern neigen, können sie gezielt daran arbeiten.
Prof. Dr. Tea Riedel - Professorin für Finance

Was wäre abschließend Ihre wichtigste Empfehlung an private Investor:innen, um ein gesundes und erfolgreiches Investitionsverhalten zu entwickeln?

Die wichtigste Empfehlung lautet, eine klare und langfristige Anlagestrategie zu entwickeln und sich nicht von Emotionen leiten zu lassen. Behavioral Finance zeigt uns, dass es normal ist, Fehler zu machen – wichtig ist, sich dieser Tendenzen bewusst zu werden und gezielt daran zu arbeiten. Ein langfristiger Fokus und fundiertes Finanzwissen bieten die besten Voraussetzungen, um erfolgreich zu investieren und auf psychologische Fallstricke zu achten. Investieren sollte als Marathon und nicht als Sprint betrachtet werden. So können private Anleger:innen langfristig profitieren und psychologische Hürden überwinden.

Vielen Dank, Frau Prof. Dr. Riedel, für die wertvollen Einblicke!

Kontaktieren Sie mich gerne.