Der Erfolg von Changeprozessen hängt maßgeblich davon ab, wie diese geleitet und gelebt werden. Führungskräfte geraten immer mehr in die Rolle des Navigators, der in Zeiten des Wandels Orientierung schafft und die Transformation vorantreiben muss.
Die von geringer Planbarkeit und rascher Veränderung geprägte VUKA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) stellt Unternehmen vor zahlreiche neue Herausforderungen. Organisationen sind gezwungen, sich diesen Veränderungen anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch der Erfolg von Changeprozessen hängt maßgeblich von der Art und Weise ab, wie diese geleitet und gelebt werden. Führungskräfte geraten immer mehr in die Rolle des Navigators, der in Zeiten des Wandels Orientierung und Vertrauen schafft, gleichzeitig aber auch die Transformation vorantreiben muss.
Für Prof. Dr. Joachim Merk, Professor an der SRH Fernhochschule, spielt das Thema Change Leadership bereits im Studium eine zentrale Rolle. Als Studiengangsleiter für Wirtschaftspsychologie ist es für ihn Teil eines vollumfänglichen Lehrplans, damit künftige Führungskräfte die Grundlagen von Organisationsentwicklung frühzeitig kennenlernen.
Er gibt fünf Tipps an die Hand, welche die Basis für erfolgreiches Change Leadership aus wirtschaftspsychologischer Perspektive darstellen:
1. Zentrale Grundlage: Emotionale Intelligenz
Die Forschung zu emotionaler Intelligenz hat gezeigt, dass die Wahrnehmung der eigenen Emotionen von entscheidender Bedeutung ist, um Gefühle und deren Einfluss auf andere Menschen zu verstehen. Emotionale Intelligenz ist eine Schlüsselkompetenz im Change Management, da sie die Grundlage für verständnisvolle Kommunikation als Change Leader schafft. Denn Veränderungen lösen oft starke Emotionen wie Unsicherheit, Angst und Widerstand aus.
„Versetzen Sie sich in die Rolle eines jahrelangen Mitarbeiters, der seine Routinen entwickelt und im Laufe der Jahre eine gewisse Sicherheit gewonnen hat“, erklärt Prof. Dr. Joachim Merk. „Und dann verlieren Sie diese Sicherheit, weil in kurzer Zeit sämtliche alteingesessenen Prozesse neu aufgesetzt werden. Das schafft Unsicherheit bis hin zur Orientierungslosigkeit.“ Change Leader sollten deshalb einfühlsam und empathisch sein und ihre Belegschaft aktiv in diese Veränderungsprozesse einbinden. Damit werden sie den emotionalen Reaktionen ihrer Mitarbeitenden gerecht, bauen Ängste ab und fördern die Akzeptanz von Veränderungen.
2. Die Bewertungsebene: Gerechtigkeit und Transparenz
„Mitarbeitende bewerten Veränderungen immer abhängig davon, ob sie diese als gerecht oder als ungerecht empfinden“, so Prof. Dr. Merk. Change Leader müssen sich diesen Bewertungsmechanismen bewusst sein und sicherstellen, dass organisationale Veränderungen fair und transparent gestaltet sind. Um Change Prozesse gerecht zu gestalten, sollten sie konsistent, unvoreingenommen, repräsentativ, ethisch vertretbar sowie korrigierbar durchgeführt werden.
Auch das Übermitteln von Informationen spielt eine wichtige Rolle im subjektiven Gerechtigkeitsempfinden der Mitarbeiter:innen. Veränderungen sollten daher stets wahrheitsgetreu sowie adäquat begründet und respektvoll vermittelt werden. Diese Bemühungen tragen letztlich dazu bei, dass die Betroffenen den Change Leadern Vertrauen entgegenbringen und das Commitment zum Wandel stärken.
3. Den Wandel gestalten: Kreativität und Innovationen
Ohne Innovation entsteht Stillstand. Organisationsentwicklung sollte langfristig auf die Förderung von Kreativität und Innovation setzen, um den Wandel voranzutreiben und Mut zur Veränderung zu etablieren. Change Leader begünstigen kreative Ideen, indem sie Raum für deren Entwicklung schaffen und Mitarbeiter dazu ermutigen, eine gemeinsame Vision zu entwickeln.
„Je nach Branche ist in diesem Kontext das Argument weit verbreitet, dass für Kreativität am Arbeitsplatz keine Zeit sei“, sagt Prof. Dr. Joachim Merk. Ein großer Fehler. Denn: „Wir müssen ‚kurzfristig‘ gegen ‚langfristig‘ denken: Kurzfristige Einbußen, seien sie in Zeit oder Produktivität, sind besser zu controllen und zu kompensieren als langfristige Mängel, die unweigerlich entstehen, wenn wir Kreativität und Innovation nicht fördern.“
4. Verständnis für unterschiedliche Reaktionen
Menschen reagieren unterschiedlich auf Veränderungen. Einige sind offen für Neuerungen, während andere Widerstand leisten. Wer die typischen Verarbeitungswege kennt und versteht, begreift die persönlichen Reaktionen bei signifikanten Veränderungen und kann besser damit umgehen.
„Auch, wenn sie bereits 50 Jahre alt ist, hat die Change-Kurve, die Professor Richard K. Streich Ende der 60er Jahre entwickelte, mehr Relevanz denn je“, betont Prof. Dr. Joachim Merk. Denn sie beschreibt die emotionale Reaktion Betroffener von Change-Projekten als Höhen und Tiefen des persönlichen Kompetenzerlebens. Die verschiedenen Phasen der Reaktion umfassen anfängliche Überraschung, Unverständnis und Ablehnung bis hin zu Akzeptanz, Neugier und Ausprobieren neuer Verhaltensweisen. Um das Team erfolgreich durch den Wandel zu navigieren, ist es nötig, diese emotionale Komponente zu berücksichtigen.
5. Nutzen der Veränderung kommunizieren
„Stellen Sie sich vor, Sie haben den idealen Change-Prozess konzipiert und stellen Ihre Mitarbeitenden dann vor vollendete Tatsachen. Sie werden auf Unverständnis stoßen, ganz gleich, wie perfekt die Durchführung laufen wird“, sagt Prof. Dr. Merk. Denn eine entscheidende Rolle im Changemanagement spielt die Kommunikation. Sie trägt dazu bei, die Loyalität der Betroffenen aufrechtzuerhalten, die Akzeptanz für Veränderungen zu fördern und Widerstände zu bewältigen.
Indem Change Leader deutlich machen, warum Veränderungen notwendig sind und welchen Mehrwert sie für die Organisation und die Mitarbeitenden bringen, fördern sie die Motivation derer und erhöhen die wahrgenommene Selbstwirksamkeit. Betroffene sollten so früh wie möglich in den Prozess involviert sein und das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie daran beteiligt sind. Ein gemeinsames sinnvolles Ziel vor Augen unterstützt die Perspektive, dass die Veränderung von allen getragen wird und jeder Einzelne zum Erfolg des Projektes beitragen kann.
Diese Grundpfeiler sollten Change Leader verinnerlichen: Empathie, Kreativität und Kommunikation.
„Change Leader, die die psychologischen Aspekte von Veränderungsprozessen verstehen und anwenden, können den Wandel effizienter und effektiver gestalten“, lautet Prof. Dr. Joachim Merks Fazit. Diese Strategien sollten schon während des Studiums vermittelt werden, denn sie sind das Fundament jeder Unternehmensentscheidung, die mit Change-Entwicklungen einhergeht.
Empathie, Kreativität und überzeugende Kommunikation sind die Grundsteine, um den Menschen im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns zu halten und den Wandel zum Erfolg zu führen. Für ein erfolgreiches Changemanagement ist es daher unabdingbar, Führungskräfte sowie Mitarbeitende auf diesem Weg mitzunehmen und sie zu beteiligen.
Denn ein Wandel im Unternehmen wird in den Köpfen initiiert. Die Mitarbeitenden sind diejenigen, die den Prozess mitgestalten und mitsteuern – nur so gelingt erfolgreiches Changemanagement. „Dieses Wissen“, so Prof. Dr. Joachim Merk, „ist nicht nur für Unternehmen von Bedeutung, sondern auch für Bildungseinrichtungen, die zukünftige Change Leader ausbilden.“
Marketing & Sales
Prof. Dr. Joachim Merk
ist Studiengangsleiter für die Studiengänge Wirtschaftspsychologie (B.Sc.) und Wirtschaftspsychologie & Leadership (M.Sc.) sowie Prorektor für Studium und Lehre an der SRH Fernhochschule – The Mobile University.
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